Die Situation: Antrag auf Kurzarbeitergeld in der Corona-Krise
Die Corona-Krise führt in vielen Unternehmen nicht zu (viel) weniger Arbeit, sondern zu stark verminderten Umsätzen. Weil Kunden die Rechnungen des Unternehmens nicht mehr bezahlen oder Aufträge storniert bzw. auf Eis gelegt werden, fehlen dem Unternehmen kurzfristig Geldzuflüsse. Wegen der daraufhin eingetretenen Liquiditätsengpässe zeigt das Unternehmen aus der Not heraus gegenüber der Agentur für Arbeit Kurzarbeit an und beantragt die Gewährung von Kurzarbeitergeld.
Ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld tatsächlich vorliegen, prüfen die zuständigen Behörden aus verständlichen Gründen derzeit so gut wie gar nicht. Wahrscheinlich erfolgen auf Seiten der Behörden derzeit allenfalls Plausibilitätsprüfungen – wenn überhaupt. Das Kurzarbeitergeld wird also gewährt.
Die Geschäftsführung des Unternehmens ist erst einmal beruhigt, weil die akute Insolvenzgefahr für das Unternehmen vielleicht schon durch die Gewährung des Kurzarbeitergeldes beseitigt werden konnte. Da aber auch für die Teile der Belegschaft, für die das Kurzarbeitergeld beantragt wurde, weiterhin im bisherigen Umfang Arbeit „auf dem Tisch“ liegt, arbeiten alle wie gewohnt weiter.
Ein Beispiel aus der Praxis: Einem auf Präsenzveranstaltungen fokussierten Eventanbieter brechen die Umsätze weg, weil gegenwärtig keine Events stattfinden dürfen. Daher beantragt er für seine gesamte Belegschaft bei der Agentur für Arbeit die Gewährung von Kurzarbeitergeld. Dem Antrag wird stattgegeben. Ein Großteil der Belegschaft plant aber gerade die Events für den Winter 2020 und das Frühjahr 2021, weil das eben die zeitlichen Planungsvorläufe sind. Dieser Teil der Belegschaft hat also derzeit genauso viel zu tun wie vor der Corona-Krise.
Der Eventanbieter hätte somit für diese Angestellten keinesfalls Kurzarbeitergeld beantragen dürfen. Denn die Gewährung von Kurzarbeitergeld setzt voraus, dass es für die betreffenden Angestellten Corona-bedingt im Unternehmen erheblich weniger zu tun gibt, als vor der Corona-Krise.
Das ist eine Situation, welche die Geschäftsführer noch nach Jahren insbesondere unter strafrechtlichen Gesichtspunkten einholen kann.
Das Risiko für Geschäftsführer: Strafbarkeit und persönliche Haftung
Bei einer in den kommenden Jahren stattfindenden Sozialversicherungsprüfung kann es dem Prüfer leicht auffallen, dass die Voraussetzungen für die Gewährung des beantragten Kurzarbeitergeldes in der Corona-Krise in Wahrheit gar nicht vorgelegen haben. Beispielsweise braucht sich der Prüfer nur die relevanten Zeitaufschriebe der betreffenden Angestellten anzusehen, um zu wissen, dass es innerhalb des Unternehmens in dem Zeitraum, für den der Staat Kurzarbeitergeld gezahlt hat, tatsächlich zu gar keinen Arbeitsausfällen der betreffenden Angestellten gekommen war.
Einfach an den Zeitaufschrieben der betreffenden Angestellten zu tricksen oder solche Dokumentationen sogar gänzlich verschwinden lassen? Das wäre ein illegaler und besonders plumper Versuch der Geschäftsführung, den Schwindel nicht auffliegen zu lassen. Denn zum einen sind Unternehmen gemäß einem neueren Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) dazu verpflichtet, die Arbeitszeiten Ihrer Belegschaft zu erfassen und zu dokumentieren, und zum anderen können die Sozialversicherungsträger während einer Sozialversicherungsprüfung Angestellte des Unternehmens zu ihrem im relevanten Zeitraum entfalteten Arbeitsumfang auch befragen. Die befragten Angestellten sind dann zur Auskunft verpflichtet (§ 28o Abs. 2 Satz 1 SGB IV). Diese Auskunftspflicht besteht sogar für Ex-Angestellte des Unternehmens. Dass ein jeder der Befragten dann die Unwahrheit erzählt, um das Unternehmen und deren Geschäftsführung zu schützen, ist nahezu ausgeschlossen.
Fliegt der Schwindel auf, droht in solch einem Fall
- dem Geschäftsführer des Unternehmens die Einleitung eines gegen ihn gerichteten Strafermittlungsverfahrens wegen Betrugs (§ 263 StGB) und wohl auch Subventionsbetrugs (§ 264 StGB)
sowie
- dem Unternehmen gemäß §§ 108 Abs. 3 SGB III, 50 Abs. 1 SGB X die Inanspruchnahme seitens des Staats zur Erstattung derjenigen Beträge, welche der Staat im Zusammenhang mit dem beantragten Kurzarbeitergeld geleistet hat, zuzüglich Zinsen in Höhe von jährlich 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz (gerechnet ab dem Zeitpunkt, in welchem dem Unternehmen das Kurzarbeitergeld zur Verfügung stand), § 50 Abs. 2a SGB X.
Für die Rückerstattung der vom Staat geleisteten Kurzarbeitergelder wird der Geschäftsführer gegenüber seinem Unternehmen nicht persönlich haften müssen. Denn in dieser Höhe hätte das Unternehmen ohnehin Löhne und Gehälter zahlen müssen. Es ist dem Unternehmen insoweit also kein Vermögensschaden entstanden. Anders verhält es sich jedoch hinsichtlich der vorbezeichneten Zinsen, die das Unternehmen bei Rückerstattung des Kurzarbeitergeldes zusätzlich an den Staat zahlen muss. Für diese Zinsen wird der Geschäftsführer in voller Höhe von seinem Unternehmen in die persönliche Haftung genommen werden können
Praxistipp
Jeder Geschäftsführer, der für seine Belegschaft oder Teile davon Kurzarbeitergeld beantragt hat, sollte aus Gründen einer Beweisvorsorge sehr darauf bedacht sein, ggf. später gegenüber den Behörden das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen für die Gewährung des Kurzarbeitergeldes nachweisen zu können. Hierzu gehört es zu dokumentieren, dass es Corona-bedingt im Unternehmen tatsächlich zu Arbeitsausfällen gekommen ist, diese Arbeitsausfälle nicht durch die Inanspruchnahme von Resturlaub oder den Abbau von Arbeitszeitkonten kompensiert werden konnten.